Die Kunst der Parade

Allen gemein ist der sogenannte Konterfunke, ein Parademanöver, dank dem wir bei gutem Timing nicht nur schadlos die Attacke des Gegners abwehren, sondern auch dessen KI-Leiste senken, die in Rise of the Ronin als Ausdauer fungiert. Ist die Leiste schließlich leer, setzen wir zu einem vernichtenden und martialisch in Szene gesetzten Finisher an, der kleinere Gegner auf einen Schlag ausschaltet und Bossen einen dicken Teil ihrer Lebensenergie beraubt.

Nun ist das Zeitfenster zum Parieren schon ab dem zweiten Schwierigkeitsgrad sehr knapp bemessen, viele Gegner starten gar ganze Combos, von denen jeder einzelne Schlag gekontert werden will, wenn wir nicht plötzlich selbst mit leerer KI-Leiste wehrlos dastehen wollen ؘ– denn auch unsere Ausdauer sinkt mit jedem Schlag und mit jedem Block.

Es dauert ein wenig, bis man das Timing verinnerlicht hat, zumal jeder Gegner mit seinen eigenen Angriffsmustern daherkommt, deren Takt zunächst einmal durchschaut werden will. Das ist zwar knifflig, hält die herrlich wuchtig inszenierten Kämpfe aber über die Dauer des Spiels hinweg spannend, wenn auch so mancher Boss ganz schön laut an die Tür unserer Frustrationstoleranz geklopft hat.

Auf der anderen Seite sind deren Schergen im Feld mit einer verblüffend unaufmerksamen KI ausgestattet, die es nicht einmal registriert, wenn wenige Meter entfernt ein Kollege ein paar Körperteile verliert. Von daher ist Schleichen zum Ausdünnen des Feindvolkes eine echte Option, um sich das Leben in Rise of the Ronin zu erleichtern.

Fühlt sich gut an, sieht aber mau aus

Während uns die Kämpfe bis zum Schluss verdammt viel Spaß gemacht haben, fiel mit der Erkundung der Welt der zweite große Aspekt eher ernüchternd aus. Das liegt wohl nicht zuletzt an unserer Erwartung, wie eine japanische Open-World und vor allem auch ein Sony-Exklusivtitel heutzutage auszusehen hat. Ghost of Tsushima muss in diesem Falle einfach als Vergleich herhalten und dagegen stinkt Rise of the Ronin mit seiner angestaubten Technik und arg generisch wirkenden Ortschaften ganz klar ab.

Eine solche Optik würden an eigentlich eher auf einer der vergangenen Konsolengenerationen verorten, weshalb es überrascht, dass Rise of the Ronin in voller Auflösung nicht einmal die 60 fps stemmt. Wählt von daher unbedingt den etwas niedriger aufgelösten Performance-Modus, denn mit Blick auf das Parade-Timing zählt jeder Frame.

Immerhin stellt man uns mit Pferd, Gleitdrachen und Enterhaken eine ganze Reihe an Mitteln zur Verfügung, mit denen wir rasch von A nach B kommen. Man kann sogar flüssig aus der Luft auf sein Reittier wechseln oder mit dem Gleitdrachen Attentate auf Gegner verüben. Das macht schon Laune, auch wenn es schade ist, dass der Enterhaken nur an vorgegebenen Stellen eingesetzt werden und unser Ronin lediglich niedrige Mauern erklimmen kann. Was das betrifft, hätte eine Prise Assassin’s Creed womöglich ganz gut getan.

Insgesamt ist die Open-World eher Mittel zum Zweck und wartet wie so oft mit den stets gleichen Fleißarbeiten auf. Hier sollen Fotos gemacht, dort ein paar Katzen oder Schatzkisten eingesammelt und immer wieder Schnellreisepunkte freigeschaltet werden, indem wir die Gegend von Banditen säubern – hier zitiert Rise of the Ronin dann also doch noch Ubisoft.

Zuviel des Guten

Der Lohn für all die Mühen ist eine verbesserte Bindung zu den Gebieten und damit einhergehend ein ganzer Wust an Loot. Rise of the Ronin schüttet euch in dem Bestreben, ein diabloeskes Beute-System zu integrieren, mit Waffen und Rüstungsteilen unterschiedlicher Wertigkeit generell förmlich zu, von denen jedoch nur die allerwenigsten etwas taugen. Auch wenn das System das Ausprobieren der verschiedenen Waffengattungen begünstigt, verkommt unsere Klinge dabei letztlich zu einer läppischen Zahl, was dem Setting unangemessen erscheint.

Und ja: Auch ein Crafting-System ist mit an Bord, alles Mögliche kann verbessert werden und natürlich gibt es auch einen Skilltree, der jedoch nur wenige coole neue Fähigkeiten birgt und sich vor allem der Prozentverbesserung diverser Werte verschrieben hat.

Mit Blick auf all diese Elemente haftet Rise of the Ronin etwas arg Formelhaftes an. Dass die Verzahnung der Spielsysteme und auch die Menüführung dazu noch unnötig verworren und verkopft daherkommen, verstärkt das Gefühl zusätzlich, einer trockenen Schulstunde beizuwohnen. Beispiel gefällig?

Zum Thema Bindungen heißt es in den Spielerklärungen: „Indem du deine Bindungen zu Menschen stärkst, werden Einflussreiche Bindungen ausgelöst, die wiederum die Bindungen stärken, die der jeweilige Mensch zu anderen Personen hat. Die Einflussreiche Bindung zwischen Menschen zu stärken, stärkt die Bindung der jeweiligen Person zu befreundeten Charakteren. Die Einflussreiche Bindung zwischen einem Menschen und einer Fraktion zu stärken, stärkt die Bindung der jeweiligen Person mit einer bestimmten Fraktion.“ Na dann ist ja alles klar …

Falls ihr euch nun fragt, welche Fraktionen gemeint sind: Wir müssen uns im Laufe des Spiels immer wieder entscheiden, ob wir gegen oder für das Shōgunat ins Feld ziehen. Da wir jedoch munter hin und her springen dürfen hat das im Spielverlauf an sich kaum Auswirkungen und kommt überhaupt erst zum Ende hin richtig zum Tragen, wo wir uns dann sogar spontan umentscheiden können. Viel Gewicht haben unsere Entscheidungen also nicht wirklich, auch wenn uns das Spiel genau das suggerieren möchte.

Fazit:

Aufregende Kämpfe vor historischer Kulisse: Fraglos nicht so schön wie Ghost of Tsushima und weniger elegant als Sekiro ist Rise of the Ronin immer noch ein unterhaltsames Action-Adventure, das vor allem durch sein brachiales und anspruchsvolles Kampfsystem hervorsticht. Auf der anderen Seite stehen jedoch eine trockene und generisch anmutende offene Welt und die veraltete Technik.

In dem Versuch, möglichst viele Spielerschichten für den Titel zu begeistern, verheben sich die Macher zudem an den Ambitionen, und verkleben das enorm spaßige Blade-Play mit unnötig verkopften Spielelementen, die den Charme einer öden Schulstunde versprühen – manchmal ist weniger einfach mehr, wie die eingangs genannten Referenztitel eindrucksvoll bewiesen haben.

Der Story gefällt indes zwar mit Akkuratesse und dem Fokus auf Japans Historie in der Mitte des 19. Jahrhunderts, was jedoch eine etwas spröde Inszenierung bedingt, vor dessen Hintergrund das an sich spannende Schicksal unserer Hauptfigur zu sehr verblasst.