Nein, Star Wars Outlaws hatte es im Vorfeld der Veröffentlichung wahrlich nicht leicht, Fans zu finden. Mal abgesehen davon, dass die Stimmung in der Community seit der großen Disney-Ära ohnehin zunehmend in Richtung dunkle Seite kippt, wirkte das Spiel in ersten Trailern und Gameplay-Präsentationen uninspiriert, grafisch nicht auf der Höhe und wie eine Art Worst-of der vielzitierten Ubisoft-Formel. Nun ist Star Wars Outlaws aber endlich da und beweist allen Spöttern zum Trotz selbstbewusst viel Seele, Herz und Charme.

In dem Titel übernehmen wir die Rolle der Kleinkriminellen Kay Vess, bei der wir uns nicht wundern würden, käme eines Tages ans Licht, dass es sich bei ihr um die kleine Schwester von Han Solo handelt. Kay ist nämlich der Prototyp einer liebevollen Schurkin in ihren Anfangsjahren, deren erster großer Coup auch direkt mal daneben geht.

Aufgrund der Umstände sieht sie sich gezwungen, ein Schiff zu stehlen, um damit von ihrem Heimatplaneten zu fliehen – unwissend, dass sie damit den Zorn des Kopfes eines der gefährlichsten Verbrechersyndikate des Outer Rim auf sich zieht: Zerek Besh. Zwar kommt es Kays Ambitionen durchaus entgegen, dass sie nun endlich Planeten-Hopping betreiben kann, dass sie dabei aber zur lebenden Zielscheibe für die Häscher des Syndikates wird, war so nicht geplant.

Doch Kay macht sich mit ihren vielen Talenten schnell einen Namen und bekommt bald die Gelegenheit auf den vielleicht größten Coup, den das Universum je gesehen hat. Sie beschließt also, die Flucht nach vorne anzutreten, doch bevor es losgehen kann, benötigt sie eine Crew.

Vess‘ Eleven

Was nach einem typischen Heist-Plot klingt, ist auch einer, nur dass wir diesen in Form eines Open-World-Action-Adventures erleben; ein Genre, welches Star Wars-Fans sich im Spielesektor schon lange herbeisehnen. Und tatsächlich bietet Star Wars Outlaws weitaus größere Gebiete zum freien Erkunden und wesentlich mehr Nebenbeschäftigungen als das gradlinig angelegte Jedi: Survivor. Der Traum, im Stile eines No Mans Sky wirklich frei durch die Galaxie düsen zu können, bleibt jedoch unerfüllt, beschränkt sich Outlaws doch auf vier Planeten nebst dem jeweils nahen Orbit.

Nach einer Einführung auf Kays Heimat Cantonica stürzen wir auf dem extra für das Spiel neu ersonnenen Schauplatz Toshara ab. Bei dem Versuch, unser Schiff – das im Deutschen unnötig übersetzt den blöden Namen „Bahnbrecher“ trägt – wieder flott zu machen, geraten wir auch direkt zwischen die Fronten der ersten beiden von insgesamt vier Syndikaten, die uns fortan mit allerlei Aufträgen versorgen – so wir uns denn mit ihnen gut stellen.

Einige davon sind für die Hauptstory relevant, die meisten davon rein optional. Je nachdem, ob wir uns im Zuge der Aufträge oder bei einigen spielrelevanten Entscheidungen für eines der Syndikate ins Zeug legen, steigen wir im Ansehen der jeweiligen Fraktion. Sind wir beliebt, können wir uns durch ansonsten gesperrte Gebiete bewegen und von exklusiver Ware bei einigen Händlern profitieren.

Auf der Kehrseite, werden wir von verfeindeten Gangstern gnadenlos beschossen, wenn wir nur in ihre Nähe kommen und müssen uns mühsam in deren Territorien schleichen, wenn wir dort etwas zu erledigen haben.

Das Ganze klingt nun aber spannender als es letztlich ist, denn für die eigentliche Geschichte des Spiels ist es im Prinzip vollkommen egal, ob wir uns für die Pykes, die Hutten oder Crimson Dawn entscheiden. Wer alles in Waage hält, macht es sich am Ende fraglos etwas einfacher, nötig ist das aber nicht.

Denn auch wenn durchaus anspruchsvolle Schleichpassagen auf uns warten, ist Star Wars Outlaws nicht wirklich schwer. Wir haben das Spiel einigermaßen locker durchgespielt, ohne die mannigfaltigen Vorteile mitzunehmen, welche uns die vielen Nebenaufträge bringen, allerdings verpasst man so auch eine ganze Menge.

Learning by doing

Denn neben den Zeit- und Taschenfüller-Aufträgen gibt es auch eine Reihe ausgearbeiteter Nebenquests, die uns Zugang zu einem ungewöhnlichen Skill-System geben. Star Wars Outlaws verzichtet nämlich auf einen automatisierten XP-Regen, und knüpft den Fortschritt von Kays Fähigkeiten an unsere Mühen, diese zu erlernen.

Ist es uns gelungen, einen Lehrmeister für uns zu gewinnen, offeriert dieser eine ganze Reihe neuer aktiver und passiver Verbesserungen, wie etwa mehr Lebensenergie, leiseres Schleichen, das Fernzünden von Granaten am Gürtel der Gegner oder das Benutzen von schweren Waffen – das aber nur, wenn wir die dazu nötigen Voraussetzungen erfüllt haben.

Fünf Kopfschüsse hier, zehn heimliche Takedowns da; mal müssen eine bestimmte Anzahl Tie-Fighter aus dem All gepustet oder auf niedriger Lebensenergie möglichst viele Sturmtruppler gefällt werden. In einigen Fällen ist es aber auch schon damit getan, die nötigen Ressourcen zusammenzutragen. Alles in allem ein enorm motivierendes System, welches unsere eigene Lust am Fortschritt anzapft, und auch sonst steht und fällt vieles in Star Wars Outlaws mit unserem eigenen Antrieb.

Glücklicherweise haben sich die Macher soweit von der Ubisoft-Formel gelöst, dass sie die Map nicht mit Fragezeichen plakatieren. Wer den weitläufigen und teils auch recht verworrenen Welten von Toshara, Tatooine und Akiva (Auf Kijimi bereisen wir lediglich eine einzige Stadt) ihre Geheimnisse und Schätze entlocken möchte, benötigt zunächst entsprechende Informationen oder muss halt auf eigene Faust auf Entdeckungstour gehen.

So lauschen wir etwa Gesprächen auf dem Marktplatz über verlassene Lager, erfahren anhand gelesener Datenpads, wo sich spezielle Bauteile verbergen, oder bekommen Hinweise von unserem kleinen Begleiter Nix, auf den wir übrigens viel zu spät zu sprechen kommen. Denn Nix ist unserer Meinung nach der wahre Star des Spiels.

Nix geht ohne Nix

Nix ist das wohl so ziemlich putzigste Haustier, das man sich nur vorstellen kann. Irgendwo zwischen Gizmo, Stitch und einer Katzenechse angesiedelt ist der Merqaal eine Art Schweizer Taschenmesser in unserem Spielerepertoire. Auf Kommando zwängt er sich durch schmale Öffnungen, um Türen zu öffnen, raubt arglosen Passanten ihre Credits oder unachtsamen Feinden ihre Garanten. Er deaktiviert Alarme, bringt aus der Ferne Fässer zum Explodieren, apportiert Waffen, lenkt Feinde ab und – wichtig – man kann ihn streicheln.

Viele der – recht rudimentären – Rätsel fußen auf Nix Fähigkeiten, in unzähligen Kämpfen hat uns der kleine Bursche die Haut gerettet und in Infiltrationsaufträgen verhindert, dass wir entdeckt werden. Insbesondere Letzteres ist wichtig, da Star Wars Outlaws einen großen Fokus auf leises Vorgehen setzt. Zuweilen ist eine Mission direkt vorbei, sobald der Alarm erschallt, aufgrund der häufig arg unglücklich gesetzten Speicherpunkte gerne mal 20 Minuten Spielfortschritt zunichtemacht.

Damit das nicht passiert, haben die Entwickler umsichtigen Spielern aber eine ganze Reihe an Möglichkeiten an die Hand gegeben, um ans Ziel zu kommen – und Nix ist nur eine davon. Denn die Basen und Gebiete offerieren diverse Zugangsmöglichkeiten, sind mit Kriechschächten und vielen Deckungsmöglichkeiten versehen, auf der anderen Seite aber eben auch gefüllt mit mal nahezu blinden, mal arg scharfäugigen Feinden, Kameras und verschlossenen Türen.

Aufmerksame Naturen suchen von daher nach Schalttafeln, Computern und verschlossenen Türen, um diese zu sabotieren, hacken oder mit dem Datenstift zu knacken. Dass dabei die zwei immer gleichen Minispiele zum Einsatz kommen, hat uns jedoch irgendwann so genervt, dass wir diese im sehr umfangreichen Optionsmenü ohne schlechtes Gewissen einfach abgestellt haben.

Taten wir uns am Anfang noch etwas schwer, wurden wir im Laufe des Spiels immer selbstsicherer und lernten, Feind für Feind per Takedown und mit Nix‘ Hilfe aus dem Spiel zu nehmen. Dass Kay selbst behelmte Gegner mit nur einem Faustschlag ins Reich der Träume schickt, verbuchen wir dabei einfach mal unter der Kategorie Running Gag im Star Wars-Universum.