Zu seligen Super Nintendo Zeiten war das legendäre Secret of Mana ein Phänomen und für viele deutsche Konsolenzocker eine der ersten Erfahrungen mit Action-Rollenspielen japanischer Machart – was übrigens wohl auch der Grund war, weshalb die Verantwortlichen dem Spiel hierzulande ein Lösungsbuch beilegten. Auch der Vorgänger, der 1991 auf dem Game Boy erschienen war, erfreute sich großer Popularität. Der dritte Teil von Seiken Densetsu, wie die Reihe in ihrem Heimatland heißt, blieb europäischen Fans hingegen vorbehalten.

Eben jener erhielt von Square Enix 2020 dann aber eine Neuauflage in 3D, nachdem der Entwickler zuvor schon Secret of Mana ein solches Remake spendiert hatte. Letzteres kam zwar nicht besonders gut an, aber wie wir nun wissen, hat die Mana-Offensive Früchte getragen. Denn ganze 17 Jahre nach dem letzten nummerierten Serieneintrag, bringt Square-Enix mit Visons of Mana nun endlich einen offiziellen neuen Teil.

Von Seelen und Bäumen

In diesem begeben wir uns mit dem Seelenwächter Val und seiner Freundin Hina auf eine Pilgerreise zum ehrwürdigen Manabaum. Hina wurde in einem alle vier Jahre stattfindenden Ritual nämlich zu Geweihten des Feuers erwählt, die gemeinsam mit den Geweihten der anderen Elemente ihre Seele dem Baum darbieten muss, um den Manafluss zu erneuern.

Da anderenfalls eine gewaltige Katastrophe über die jeweilige Gemeinschaft hereinbrechen würde, wird dieser Akt von den Bewohnern der Welt als große Ehre angesehen, nur wenige hinterfragen das Schicksal, welches den Geweihten vorherbestimmt ist. Val und Hina brechen jedenfalls voller Optimismus auf und treffen auf ihrer Reise weitere Geweihte, die sich im Laufe des Spiels ihrer Gruppe anschließen.

Visions of Mana ist wie seine Vorgänger als Action-Rollenspiel angelegt, in dem wir stets frei zwischen den Mitgliedern der maximal dreiköpfigen Party wechseln können. Während dies im Zuge der Erkundung der Welt nur eine untergeordnete Rolle spielt, gestalteten sich die dynamischen Echtzeitgefechte mit jeder Figur ihrer Klasse entsprechend unterschiedlich.

Mit welchen Waffen wir dabei zu Werke gehen, hängt maßgeblich davon ab, mit welchen Geisterreliquien wir die Spielfiguren ausstatten. Bei diesen handelt es sich um magische Artefakte, die den jeweiligen Elementen zugeordnet sind. Im Kampf gewährt uns jede dieser Reliquien eine spezielle Fähigkeit, wie etwa einen Windangriff oder das Verlangsamen der Zeit in einem bestimmten Bereich. Und auch in der Welt können wir mithilfe unserer magischen Werkzeuge an festgelegten Stellen Wege erschaffen, wo zuvor keine waren.

Eine Frage der Klasse

Viel wichtiger ist aber, dass jede Reliquie jeder Figur die Fähigkeiten einer neuen Klasse beschert. Während der Wind-Bumerang Val etwa zum Runenkrieger macht, wird er durch die Mondsphäre zum Aegis. Die Windgeweihte Carina wird wiederum zur Tänzerin oder Mondseherin. Mit insgesamt acht Reliquien steht jedem der insgesamt fünf spielbaren Charaktere damit die gleiche Anzahl an Klassen zur Verfügung.

Damit einher geht aber nicht nur die Wahl der Waffe, auch die Optik verändert sich entsprechend der Klasse und wir erhalten Zugriff auf einen überschaubaren Skilltree, der uns aktive und passive Fähigkeiten verleiht. Der Clou dabei ist: Während passive Fähigkeiten nur dann wirken, wenn wir die entsprechende Reliquie tragen, können wir die dadurch freigeschalteten Zauber auch unabhängig davon nutzen.

In der Praxis ist es also sinnvoll, jede neue Reliquie jedem der Charaktere mindestens einmal anzulegen, um damit den jeweiligen Fähigkeitsbaum freizuschalten. Praktischerweise geht der Wechsel im Menü bequem und schnell vonstatten. Da sich jeder Reliquien-Skillpfad von Charakter zu Charakter unterscheidet, kann allerdings nicht jede Figur alle Fähigkeiten erlernen, weshalb man auf eine kluge Zusammenstellung seiner Truppe achten sollte, um dem vielgesichtigen Feindesvolk effektiv die Stirn bieten zu können.

Auf in den Kampf

Die Fähigkeiten und Zauber der einzelnen Gruppenmitglieder aktivieren wir im Kampf über das ikonische Ring-Menü; unabhängig davon, wen wir gerade steuern. Da die Zeit währenddessen still steht, können wir in Ruhe mächtige Angriffe starten, unsere Figuren buffen oder heilen oder die gegnerische Abwehr schwächen.

Das Kampfsystem folgt dabei den üblichen Rollenspielstatuten von Elementaranfälligkeiten und Statusveränderungen. Auch ein dramatisch inszenierter Superangriff ist mit dabei, den wir zünden können, wenn sich die entsprechende Leiste durch das Erledigen von Gegnern oder Zerschlagen der überall verteilten Tontöpfe gefüllt hat, in denen wir auch frische Lebensenergie oder Mana finden können.

Darüber hinaus verfügt jede Figur über zwei Slots, in welche wir Fähigkeitsamen einsetzen können, die unser Manöverset oder unsere Werte zusätzlich erweitern und verbessern. Die Samen finden wir in der Welt, erhalten sie als Belohnungen für erfüllte Quests oder können wir später sogar craften.

So unfassbar putzig, wie die Feinde zuweilen gestaltet sind, fällt es uns allerdings glatt etwas schwer, diese aus dem Bild zu kloppen. Glücklicherweise kann man Gegner aber bereits aus der Ferne herumhoppeln sehen und nötigenfalls umgehen. Entscheiden wir uns dennoch dazu, die Klingen zu kreuzen, erfüllen die von uns gerade nicht gesteuerten Charaktere ihren Job entsprechend einer von uns zuvor festgelegten taktischen Einstellung.

Soll die KI ihre Magiepunkte auf den Kopf hauen oder besser sparen, den gleichen Feind angreifen wie wir oder den Rest beschäftigen? Wir haben die Wahl, die Ausführung erfolgt präzise und effektiv. An dieser Stelle mag sich nun manch ein alter Hase auf den erwarteten Multiplayer-Passus freuen, doch dieser bliebt leider aus. Auch wenn es sich absolut anbieten würde, hat sich Square-Enix eine Mehrspielerkomponente nämlich leider gespart.

Und so obliegt es uns allein, das latente Chaos of dem Bildschirm zu meistern. Das macht zwar durchaus Spaß, bleibt im Wesentlichen aber etwas oberflächlich und auf dem normalen Schwierigkeitsgrad auch viel zu leicht. Gestört hat uns außerdem sehr, dass die Kamera einen aufgeschalteten Feind oft aus den Augen verliert. Bei den deutlich anspruchsvolleren Bossfights klappt das zum Glück aber besser, die uns mit durchschlagskräftigen Flächenangriffen und komplexeren Angriffsmustern gerade zum Ende hin dann doch noch zu fordern wussten.

Bunte Reise

Prügeln wir uns mal nicht mit zuckersüßen Mümmlerchen oder ulkigen Grabschkrabben, erkunden wir die weitläufige Welt. Diese ist nicht als Open World angelegt, sondern besteht aus übersichtlichen und durch kurze Ladezeiten miteinander verbundenen Arealen, auf deren Maps Schatzkisten, Speicherplätze und die für das Ernten von Skillpunkten wichtigen Runenschreine praktischerweise bereits markiert sind.

Das Abgrasen der Gebiete hat von daher etwas arg formelhaftes, und auch die Nebenquests sind an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten. Da die Welt von Visions of Mana mit großem Mut zur Farbe jedoch ausnehmend schön gestaltet und der Anspruch eher niedrig angesetzt wurde, hat das Ganze tatsächlich etwas sehr entspannendes – nicht zuletzt auch dank der angenehmen Musik mit ihren südamerikanischen Klängen.

Eine deutsche Synchro gibt es leider nicht. Zur Auswahl stehen lediglich eine englische und japanische Tonspur. Immerhin sind die deutschen Untertitel aber kompetent geschrieben.

Als kompetent lässt sich auch die Technik der von uns getesteten PS5-Version beschrieben, die sich auf dem Performance-Modus hier und da ein paar Einbrüche und Pop-ups erlaubt. Dennoch ist dieser dem Auflösungs-Modus vorzuziehen, da letzterer mit Blick auf die ohnehin im Comic-Look angelegte Grafik optisch keinen wesentlichen Zugewinn darstellt.

Fazit:

So schön, dass man nicht mehr weg möchte: Visions of Mana ist ein wenig so, als würde man zur Entspannung in Farbe baden. Die Präsentation ist mit ihren kräftigen Tönen und sehenswerten Szenarien durchweg wunderschön zu nennen und macht den zuweilen monotonen Spielablauf damit zu einer äußert erholsamen Erfahrung.

In den dynamischen Echtzeitkämpfen kann es zwar durchaus auch mal etwas hektischer werden – nicht zuletzt wegen der störrischen Kamera – dank des praktischen Ringmenüs kann man das Kampfgeschehen aber jederzeit pausieren und hat stets die volle Kontrolle über die Gruppe. Diese lässt sich über ein variantenreiches Klassensystem auf vielseitige Art und Weise anpassen, ohne den Spieler dabei mit allzu viel Komplexität zu überfordern.

Nun machen die Kämpfe und Erkundungstouren zwar durchaus Spaß, insgesamt bleibt die Spielerfahrung jedoch oberflächlich. Die Figuren haben durchaus Charme, es fehlt ihnen aber an Tiefe, die lineare Geschichte ist unterhaltsam, allerdings recht platt, die einzelnen Weltabschnitten sind herrlich anzusehen, haben jedoch wenig mehr als die stets gleichen Sammelaufgaben zu bieten – und derart uninspirierte Nebenquests wollen wir 2024 eigentlich auch nicht mehr sehen.

Da sich Visions of Mana aber durchweg fluffig spielt, wollen wir es dennoch allen ans Herz legen, die eine wohltuende Erholung von stressigem Grinding, düsteren Szenarien und inflationärem Epos suchen – erst recht, wenn ihr Fans der Vorgänger seid. Denn für diese hat Visions of Mana so einige Aha-Momente zu bieten.

Visions of Mana ist für PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series, Microsoft Windows und GeForce Now erhältlich.